Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 06: Unterschied zwischen den Versionen
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Am folgendem Nachmittag - das Wetter ist immer noch sehr unfreundlich - trifft die erwartete Magd mit Rucksack und Regenschirm ein. Sie heißt Maria Baumgartner, steht im 45. Lebensjahr und ist in Kühbach bei Aichach beheimatet. Andreas Gruber betrachtet sie aufmerksam. Die Anmeldepapiere, die sie ihm überreichen will, weist er zurück. Er kennt keine Anmeldung. Es geht weder den Ortsführer noch den Bürgermeister etwas an, wer bei ihm arbeitet. So hat er es immer gehalten, und davon weicht er nicht ab.<br> | Am folgendem Nachmittag - das Wetter ist immer noch sehr unfreundlich - trifft die erwartete Magd mit Rucksack und Regenschirm ein. Sie heißt Maria Baumgartner, steht im 45. Lebensjahr und ist in Kühbach bei Aichach beheimatet. Andreas Gruber betrachtet sie aufmerksam. Die Anmeldepapiere, die sie ihm überreichen will, weist er zurück. Er kennt keine Anmeldung. Es geht weder den Ortsführer noch den Bürgermeister etwas an, wer bei ihm arbeitet. So hat er es immer gehalten, und davon weicht er nicht ab.<br> | ||
Viktoria führt die Magd in ihre Kammer. Maria Baumgartner stellt ihren Rucksack neben dem Bett nieder. Er enthält ihre Habseligkeiten, ein Kleid, etwas Wäsche und ein dickleibiges Gebetbuch. Es steht ein alter Schrank in der Kammer, aber den hat Viktoria noch nicht ausgeräumt. Die Magd ließ also ihre Dinge noch im Rucksack. Sie wechselt das Kleid und Schuhe, dann findet sie sich in der Küche ein, und beginnt da sofort die Arbeit.<br> | Viktoria führt die Magd in ihre Kammer. Maria Baumgartner stellt ihren Rucksack neben dem Bett nieder. Er enthält ihre Habseligkeiten, ein Kleid, etwas Wäsche und ein dickleibiges Gebetbuch. Es steht ein alter Schrank in der Kammer, aber den hat Viktoria noch nicht ausgeräumt. Die Magd ließ also ihre Dinge noch im Rucksack. Sie wechselt das Kleid und Schuhe, dann findet sie sich in der Küche ein, und beginnt da sofort die Arbeit.<br> | ||
Inzwischen steht Andreas Gruber im Hof und pumpt einen Eimer voll Wasser. Der Postbote aus Waidhofen kommt vorüber. Er ist ein munterer Bursche und gern gesehen in allen Häusern, nur Hinterkaifeck bleibt ihm verschlossen. Lediglich einmal im Monat, wenn er eine kleine Rente bringt, darf er die Küche betreten. Die Leute in Waidhofen und anderswo fragen ihn oft, ob es zuträfe, daß die Hinterkaifecker ein so seltsam und geradezu menschenscheues Dasein führten. Sie sollten jeden Vorübergehenden mit unverwandter Neugier betrachten, dann aber, wenn sichjemand dem Hofe nähere, von Tür und Fenster verschwinden und auf kein noch so langes Pochen öffnen. So ähnlich verhält es sich wohl, andererseits aber fehlen die alten Grubers keinen Sonntag in der Waidhofener Kirche, und Viktoria ist als gute Sängerin auf dem Kirchenchor bekannt. Es gibt Hamsterer , die nicht vergeblich in Hinterkaifeck vorsprechen, und es gibt Leute in Gröbern, die dem alten Gruber erhebliche Hilfsbereitschaft nachrühmen. Insgesamt ist es richtig, daß die drei Leute am liebsten ihre Ruhe haben. Aber dies ist ja wohl nichts Unrechtes.<br> | Inzwischen steht Andreas Gruber im Hof und pumpt einen Eimer voll Wasser.[[Datei:Josef meyer.jpg|80px|right]] Der [[Personen: Mayer Josef|Postbote aus Waidhofen]] kommt vorüber. Er ist ein munterer Bursche und gern gesehen in allen Häusern, nur Hinterkaifeck bleibt ihm verschlossen. Lediglich einmal im Monat, wenn er eine kleine Rente bringt, darf er die Küche betreten. Die Leute in Waidhofen und anderswo fragen ihn oft, ob es zuträfe, daß die Hinterkaifecker ein so seltsam und geradezu menschenscheues Dasein führten. Sie sollten jeden Vorübergehenden mit unverwandter Neugier betrachten, dann aber, wenn sichjemand dem Hofe nähere, von Tür und Fenster verschwinden und auf kein noch so langes Pochen öffnen. So ähnlich verhält es sich wohl, andererseits aber fehlen die alten Grubers keinen Sonntag in der [[Sachverhalte: Die Kirche in Waidhofen|Waidhofener Kirche]], und Viktoria ist als gute Sängerin auf dem Kirchenchor bekannt. Es gibt Hamsterer , die nicht vergeblich in Hinterkaifeck vorsprechen, und es gibt Leute in Gröbern, die dem alten Gruber erhebliche Hilfsbereitschaft nachrühmen. Insgesamt ist es richtig, daß die drei Leute am liebsten ihre Ruhe haben. Aber dies ist ja wohl nichts Unrechtes.<br> | ||
Heute hat der Postbote nichts für die Hinterkaifecker, dennoch bleibt er am Wege stehen, um mit dem alten Gruber zu plaudern. Dieser unterbricht seine Schöpftätigkeit. Mit zwei Fingern der linken Hand stellt er mühelos einen gefüllten Eimer beiseite. Er ist ein bärenstarker Mann und kennt trotz der unruhigen Zeiten keine Furcht. Im vergangenen Jahr er ist es gewesen, daß in Waidhofen eines Abends ein junges Mädchen vermißt wurde. Um Mitternacht kam der Postbote, der sich an der Suche beteiligte, an Hinterkaifeck vorüber. Da die Grubers das Mädchen Abends vielleicht gesehen haben konnten, klopfte er ans Fenster, obwohl er damit rechnete, daß man ihm nicht öffnete. Aber es währte gar nicht lange, und Andreas Gruber machte die Tür auf und fragte, eine Mistgabel in der Rechten, nach dem Begehr des Draußenstehenden. Hieran erinnert sich der Postbote, während er mit dem Alten plaudert. Dann setzte er seinen Weg fort, nicht ahnend, daß er den alten Mann zum letztenmal lebend gesehen hat. <br> | Heute hat der Postbote nichts für die Hinterkaifecker, dennoch bleibt er am Wege stehen, um mit dem alten Gruber zu plaudern. Dieser unterbricht seine Schöpftätigkeit. Mit zwei Fingern der linken Hand stellt er mühelos einen gefüllten Eimer beiseite. Er ist ein bärenstarker Mann und kennt trotz der unruhigen Zeiten keine Furcht. Im vergangenen Jahr er ist es gewesen, daß in Waidhofen eines Abends ein junges Mädchen vermißt wurde. Um Mitternacht kam der Postbote, der sich an der Suche beteiligte, an Hinterkaifeck vorüber. Da die Grubers das Mädchen Abends vielleicht gesehen haben konnten, klopfte er ans Fenster, obwohl er damit rechnete, daß man ihm nicht öffnete. Aber es währte gar nicht lange, und Andreas Gruber machte die Tür auf und fragte, eine Mistgabel in der Rechten, nach dem Begehr des Draußenstehenden. Hieran erinnert sich der Postbote, während er mit dem Alten plaudert. Dann setzte er seinen Weg fort, nicht ahnend, daß er den alten Mann zum letztenmal lebend gesehen hat. <br> | ||
Noch jemand kommt an diesem Nachmittag am Hof vorüber. Es ist die siebzehnjährige Käthe Kreutmeyr, die in einem der Nachbarhöfe dient. Sie hat oft mit den alten Grubers und mit Viktoria sonntags den Weg zur Kirche nach Waidhofen zurückgelegt. Viktoria steht eben unter der Haustür und betrachtet den grauen Regenhimmel. "Hoffentlich ist am Sonntag besseres Wetter, sonst müssen wir daheim bleiben", ruft ihr Käthe zu.<br> | Noch jemand kommt an diesem Nachmittag am Hof vorüber. Es ist die siebzehnjährige Käthe Kreutmeyr, die in einem der Nachbarhöfe dient. Sie hat oft mit den alten Grubers und mit Viktoria sonntags den Weg zur Kirche nach Waidhofen zurückgelegt. Viktoria steht eben unter der Haustür und betrachtet den grauen Regenhimmel. "Hoffentlich ist am Sonntag besseres Wetter, sonst müssen wir daheim bleiben", ruft ihr Käthe zu.<br> | ||
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|<div align="left">[[Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 05|Zu Teil 5]]</div>[[Datei:Pfeillinks.png|links|verweis=Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 05]] | |||
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|<div align="right">[[Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 07|Zu Teil 7]]</div>[[Datei:Pfeil.png|rechts|verweis=Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 07]] | |||
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== Offene Fragen/Bemerkungen == | == Offene Fragen/Bemerkungen == | ||
Aktuelle Version vom 23. November 2011, 22:36 Uhr
Die Mordnacht in Hinterkaifeck
Detailinformationen
Datum
1951
Ort
Art des Dokumentes
Zeitungsserie
Verfasser
Verfasst für
Donaukurier
Inhalt
DIE NACHT IN DER ES GESCHAH Heute hat der Postbote nichts für die Hinterkaifecker, dennoch bleibt er am Wege stehen, um mit dem alten Gruber zu plaudern. Dieser unterbricht seine Schöpftätigkeit. Mit zwei Fingern der linken Hand stellt er mühelos einen gefüllten Eimer beiseite. Er ist ein bärenstarker Mann und kennt trotz der unruhigen Zeiten keine Furcht. Im vergangenen Jahr er ist es gewesen, daß in Waidhofen eines Abends ein junges Mädchen vermißt wurde. Um Mitternacht kam der Postbote, der sich an der Suche beteiligte, an Hinterkaifeck vorüber. Da die Grubers das Mädchen Abends vielleicht gesehen haben konnten, klopfte er ans Fenster, obwohl er damit rechnete, daß man ihm nicht öffnete. Aber es währte gar nicht lange, und Andreas Gruber machte die Tür auf und fragte, eine Mistgabel in der Rechten, nach dem Begehr des Draußenstehenden. Hieran erinnert sich der Postbote, während er mit dem Alten plaudert. Dann setzte er seinen Weg fort, nicht ahnend, daß er den alten Mann zum letztenmal lebend gesehen hat.
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