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'''''Die Mordnacht in Hinterkaifeck'''''
'''''Die Mordnacht in Hinterkaifeck'''''
== Detailinformationen ==
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<div align="right">[[Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 04|Hier geht es zu Teil 4]]</div>[[Datei:Pfeil.png|rechts|verweis=Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 04]]
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|<div align="left">[[Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 02|Zu Teil 2]]</div>[[Datei:Pfeillinks.png|links|verweis=Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 02]]
ES LIEGT WAS IN DER LUFT
Das Unwetter hält an, als die achtjährige Cäzilie von der Schule heim kommt, und es stürmt und regnet noch, als sie in Hinterkaifeck zu Abend essen. Eine Petroleumlampe mit rußgeschwärztem Zylinder erhellt die Küche trübe. Die alte Gruberin betet das Tischgebet vor, dann setzen sie sich hin.
Es gibt nichts weiter als Brotsuppe und Kartoffeln. Aber die junge Bäuerin und ihre Eltern sind keine armen Leute. Die Inflation hat begonnen, während des Krieges und in den ersten Jahren nach dem Kriege gab es gutes Geld für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Der alte Gruber besitzt Hunderte von Gold- und Silbermünzen.
Das Essen geht nahezu schweigend vorüber. Nur die kleine Cäzilie plaudert. Sie erzählt von einer Schulkameradin, die von ihrem Vater zum Namenstag ein hübsches Kleid geschenkt bekam, dann sieht sie ihre Mutter an und schließt mit der Frage: "Könnte es nicht sein, daß unser Vater auch noch vom Kriege heimkommt?"
Viktoria schweigt. Ein schneller Blick irrt zu ihrem Vater hinüber. Er sitzt breit und schwer da, die Brauen über den Augen sind gefurcht, ruhig und gleichmäßig führt seine Hand den Löffel.
"Mutter", drängt das Mädchen, als es ohne Antwort bleibt, _es könnte doch sein, daß..."
"Sei still!", fährt der alte Gruber auf. Da schweigt das Kind verstört. In diesem Augenblick fängt die alte Gruberin laut zu weinen an. Viktoria beißt die Zähne zusammen. Sie hat den kleinen Josef auf ihrem Schoß sitzen und führt ihm einen Löffel Suppe in den Mund. Ihre Hand ist unruhig. Sie verschüttet die Suppe. Der Knabe schreit ungeduldig. Da drückt sie ihn heftig an sich und schließt die Augen. Ihr Kopf sinkt über den des Kindes. Ihr blondes Haar schimmert im trüben Licht der Lampe. Und draußen wirft sich der Sturm gegen das Gehöft.
Die alte Frau weint immer noch, und als sie verstummt, lastet das Schweigen schwer in der Küche. Andreas Gruber erhebt sich als erster vom Tisch. Er verläßt die Küche, um sich in den Stall zu begeben. Hart fällt die Türe hinter ihm ins Schloß. Viktoria hebt den Knaben von ihren Knien.
"Hör' endlich mit dem Weinen auf", wendet sie sich an ihre Mutter. "Damit machst du nichts besser. Es ist nun schon so, wie es ist. Daran ändert keiner mehr etwas."
Sie folgt ihrem Vater in den Stall. Das Melken und Füttern haben sie oft im Dunkeln vorgenommen. An diesem Abend hat Andrea Gruber eine kleine Petroleumlampe angezündet. Er starrt nach der stark rußenden Flamme, als Viktoria in den Stall tritt. Sie geht wortlos an ihm vorüber, durchquert den Stall und steigt die zwei Stufen empor, die in die Futterkammer führen.
Mit einem Armvoll Heu kommt sie zurück. Ihr Vater steht immer noch regungslos. Ein zweites und drittes Mal holt sie Heu aus der Futterkammer, bis die zehn Stück Vieh versorgt sind. Dann stellt sie einen Eimer klirrend vor die Füße ihres Vaters. Er regt sich nicht. Sein Gesicht zeigt einen fast drohenden Ausdruck. Da tritt sie dicht an ihn hin. Sie blicken einander in die Augen.
"Ich fürchte mich", sagt sie bebend und greift mir beiden Händen nach seinem Arm. "Seit ich den Menschen im Wald gesehen habe fürchte ich mich. Und heute nachmittag die Gestalt im Regen...! Es war kein Brett. Einer geht umher und belauert uns. Er zeigt sein Gesicht nicht. Wir sollen nicht wissen, was im Gange ist."
²Was soll im Gange sein?" Andreas Gruber sieht seiner Tochter ins verstörte Gesicht, dann wendet er seine Augen wieder der Petroleumlampe zu. "Dich hat ja nur das Gerede vorhin in der Küche durcheinander gebracht. Wenn einer nach vier Jahren noch nicht gekommen ist, dann kommt er nicht mehr. Nie mehr..."
Viktoria hält noch immer den Arm ihres Vaters umklammert. Sie schweigt eine kleine Weile, dann flüstert sie: "Und der Mensch, der hier herum schleicht? Wer könnte das sein?"
"Meinetwegen schleicht keiner um das Haus", lautet die kurze Erwiderung.
"Meinetwegen vielleicht?", fragt sie zurück, und eine trotzige Falte bildet sich zwischen ihren Brauen. "Kann ich dafür, wenn sich's einer in den Kopf setzt, er müßte mich zur Frau haben? Kann ich für den Krieg? Ich bin kein altes Weib. Jeder Mensch hat ein Recht auf sein Leben."
Andreas Gruber hebt die Schultern. "Ich habe dich schon einmal gewarnt. Zuletzt erfährt einer Dinge, die ihm nicht gefallen, und dann könnte es geschehen, daß seine Liebe in etwas anderes umschlägt. Ein Mensch ist schnell verrückt gemacht. Dann bringt ihn keiner mehr zur Besinnung. Und - was geht dir denn ab?"
Sie wendet das Gesicht zur Seite. Ihr Blick fällt auf das Fenster, in dessen Nähe sie steht. Ein wilder Aufschrei ringt sich über ihre Lippen. Am ganzen Leibe bebend, wirft sie sich an ihren Vater. Ihr ausgestreckter Arm deutet nach dem Fenster. Und da sieht es auch der alte Gruber: ein bleiches Gesicht preßt sich an die dunkle Scheibe. Das Fenster ist vor längerer Zeit entzwei gegangen. Die Sprungränder sind übereinander geschoben.
Daher mag es kommen, daß dem lauernden Gesicht dahinter etwas schreckhaft Entstelltes anhaftet. Nun verschwindet es.
Andreas Gruber muß förmlich mir seiner Tochter ringen, bevor er sich aus ihren Armen befreien kann. Er läuft an die Stalltür, die unmittelbar ins Freie Führt. In seiner Erregung bringt er den verbogenen Haken nicht sofort auf, und als er die Tür endlich aufstößt, fällt ihm ein eiserner Rechen, der außen lehnte, derb an den Kopf. Sturm und Regen peitschten herein.